12.03.2022: STEFAN WAGHUBINGER

Burnout muss man sich erarbeiten

Der Österreicher Stefan Waghubinger war auf der Kabarettbühne in Lanterhofen zu Gast

Die sanft klingende Stimme, gespickt mit schwarzem Humor und einer gehörigen Portion Sarkasmus sind das Markenzeichen von Stefan Waghubinger, der mit seinem vierten Soloprogramm „Ich sag’s jetzt nur zu Ihnen“ auf Tour ist. Am Samstag war der in Österreich geborene Kabarettist, der schon lange in Stuttgart lebt, auf der Kulturlant-Bühne im Lantershofener Winzerverein zu Gast und schlüpfte dort in die Rolle des Bauunternehmers Waghubinger. Der war gerade von einer Frau verlassen worden, übrig blieben ein Strauß verwelkender Blumen, sein Monopoly-Spiel und der Golfschläger. Und obendrein noch der Mann, der die Situation so gar nicht versteht.

„Von allen meinen Bekannten war ich am meisten von der Trennung überrascht“, musste der bekennende Workaholic feststellen. Schon immer war das „Geld scheffeln“ der Lebensmittelpunkt des Unternehmers, der viel zu kleine und obendrein schäbige Mietwohnungen errichtet, um sie dann seinen Bekannten viel zu teuer zu vermieten. Und dem eines klar ist: „Ein Burnout muss man sich erarbeiten.“

Und so gewährte Waghubinger dem Publikum einen Einblick in sein Leben, das schon in jungen Jahren aus dem Ruder gelaufen sein musste. „Ich hab mir so sehr die Käpt’n Kirk Jacke gewünscht, aber wir hatten ja kein Geld. Da sagte die Mama: Wenn du brav bist, strickt dir das Christkind eine.“ Aus gelber, kratzender Schafswolle. Mit einer Mütze und zwei Antennen mit Tischtennisbällen auf dem Haupt. „Da hatten wir die Bescherung. Du fühlst dich als Raumschiffpilot und wenn Du in den Spiegel schaust, siehst du Biene Maja“, hatte die Wirklichkeit den kleinen Stefan schon früh eingeholt.

Irgendwie setzte sich die Diskrepanz zwischen falschem Anspruch und Wirklichkeit fort. Der Bauunternehmer fragt sich nun mal beim Blick in den Sternenhimmel, wie viel Laderaum der „Große Wagen“ haben mag. Und den Stern, den ihm die Frau schenkt, will er eigentlich gar nicht. „Sterne verdecken doch nur den Blick auf das Universum.“

Da denkt er viel zu gerne an die Kindheit zurück. An den Tante-Emma-Laden, wo es genau einen Joghurt in der Auswahl gab. Nicht wie heute im Supermarkt: „Wie soll man es denn im Leben zu etwas bringen, wenn man sich schon nicht für einen Joghurt entscheiden kann“, sinnierte Waghubinger und hatte für jede Lebenssituation einen Verursacher. Er dachte an die Steinzeitmenschen, die ihre Höhlen von unten bis oben bemalten, obwohl das doch Weltkulturerbe war. An die grauen Eichhörnchen, die in Europa so langsam die roten Artgenossen verdrängen: Wenn man in ein paar Jahrzehnten noch ein rotes Eichhörnchen sieht, dann ist das bestimmt eines mit Nussallergie.“

Nur gut, dass es die Arbeit gibt, die kann man doch so herrlich auf das Privatleben runterbrechen. „Wer sich anstrengt, hat auch beim Würfeln mehr Glück“, so die Devise des Mannes, der sich keine Freunde kaufen würden. „Nur leasen.“ Da kann man dann auch mal den Kölner Dom mit den eigenen geschaffenen Mietwohnungen vergleichen und feststellen: „Die Decken im Dom sind höher.“

Beim Lantershofener Publikum, dass Stefan Waghubinger lange applaudierte, bedankte sich der Kabarettist und verschenkte handsignierte CD’s. Dass danebenstehende Kästchen, in dem er Geld für Kinderbetreuung in der Ukraine sammelte, hatte sich schnell gefüllt.

Veranstaltungsankündigung

ICH SAG’S JETZT NUR ZU IHNEN

Mitten aus dem Leben, manchmal böse, aber immer irrsinnig komisch, zynisch und zugleich warmherzig. Das sind Attribute, die man mit diesem österreichischen Kabarettisten verbindet.

Er selbst sagt von sich nur, er betreibe österreichisches Jammern und Nörgeln, aber mit deutscher Gründlichkeit.

In seinem vierten Soloprogramm begegnet er Gänseblümchen, Schmetterlingen und Luftschlangen im Treppenhaus. Es entstehen Geschichten mit verblüffenden Wendungen, tieftraurig und zugleich zum Brüllen komisch. Zynisch und zugleich warmherzig, banal und zugleich erstaunlich geistreich.

Eine Erklärung zu den wirklich wichtigen Dingen, warum es so viel davon gibt und warum wir so wenig davon haben.

Die Allgemeine Zeitung Mainz schreibt zu ihm: „Federleicht und geschliffen. Es gibt nur wenige Kabarettisten, die es mit Waghubingers Formulierungskunst aufnehmen können – und es gibt nur ganz wenige Kollegen, bei denen geschliffene Texte so federleicht durch den Saal schweben“.

18.02.2022: LA SIGNORA

Ein bunter Vogel im schwarzen Geierkostüm

Aus der Musikerin La Signora ist eine Meisterin der Stand-up-Comedy gewordenen

Schon seit Jahresbeginn ist dann, wenn der Verein Kulturlant in den Lantershofener Winzerverein zu einem seiner kulturellen Abende einlädt, wieder vieles beim Alten. Zwar gibt es immer noch eine Maskenpflicht bis zum Platz mit Ausnahme des Verzehrs, am Eingang wird zudem akribisch von Verein und Rotem Kreuz der Impfstatus kontrolliert, aber Abstände, verbotene Sitzplätze oder ähnliches gibt es nicht mehr. „Wir gehören mit unserer Sitzplatzkapazität von 250 Plätzen zur Gruppe der Kleinveranstaltungen bis 2.000 Personen und setzen das um, was Politik uns erlaubt und die Vereinsmitglieder gutheißen“, sagen die beiden Vorsitzenden Marie-Luise Witsch und Udo Rehm unisono. Das sorgte im Januar noch für Skepsis beim Publikum, manch einer ließ sein Ticket verfallen, Stühle blieben leer. Inzwischen ist das nicht mehr so, auch am vergangenen Freitag kamen die meisten derer, die eine Eintrittskarte erworben hatten, um sich das Gastspiel „Allein unter Geiern“ der Oberhausener Künstlerin Carmela de Feo, die als „La Signora“ auftritt, anzuschauen.

Knapp 200 Gäste erlebten einen fulminanten Abend. Viele von ihnen sahen La Signora nicht zum ersten Mal, einige waren bereits vor viereinhalb Jahren dabei, als die zierliche Akkordeonspielerin mit italienischen Wurzeln schon einmal in Lantershofen zu Gast war. Sie durften eine unheimliche Entwicklung der Sängerin, Schauspielerin und Komödiantin mit dem Haarnetz als Markenzeichen feststellen. Die Musik hatte im Programm etwas weniger Platz eingenommen und zum Akkordeon griff sie nicht mehr allzu oft. Dafür hatte La Signora die Stand-up-Comey für sich entdeckt. Die Zuschauer besonders in den vorderen Reihen dürften schon geahnt haben, dass sie Teil des Programms sind, denn La Signora ließ das Saallicht nicht löschen. Schnell hatte sie ihre „Opfer“ ausgemacht: die Großfamilie mit Adoptivanhang, das Paar, das schon 60 Jahre zusammen war oder die jungen Frauen, die gar nicht verstanden, über was La Signora sprach, wenn sie Werbetexte aus den 1980er Jahren rezitierte. Das Gros im Saal konnte da indes mitsingen.
Irgendwie bekam zumindest in den vorderen Reihen jeder sein Fett weg: hässliche Männer, die man am karierten Hemd erkennt, Frauen, die trinken, um ihr eigenes Spiegelbild ertragen zu können. Alle Klischees schienen an dem Abend ihre Vertreter in den Lantershofener Saal entsendet zu haben. Sie erlebten keineswegs ein reines Frauenprogramm, sie alle mussten sich als Leidtragende ansprechen lassen, die sich zwei Corona-Jahre lang gehen ließen. „Ich ziehe seltsame Leute an“, stellte die Künstlerin fest, dass der Körper der Frau nicht nur aus Gehirn und Besserwisserei bestehe. Überhaupt geizte „La Signora“ nicht mit den wildesten Anspielungen gegenüber ihren Gästen. Jedoch waren diese nie verletzend, sorgten aber für großes Amüsement im Publikum. Selbst als die Kabarettistin plötzlich der Meinung war, nur noch einer Horde Verbrechern gegenüberzusitzen, deren kriminelle Energie sie bis auf die Bühne zu spüren bekam. Nur ihr konnte man nichts abnehmen, denn „der Zahnstein ist mein einziger Schmuck, mehr brauche ich nicht.“

Fast zweieinhalb Stunden jagte das Energiebündes aus dem Ruhrpott über die Bühne im Winzerverein, sprach, sang und nahm ihr Publikum auf die Schippe, ohne sich selbst dabei auszulassen. Denn auch La Signora ist irgendwie komisch, hat den Montag als Lieblingstag erkoren, weil da die Post kommt. Sie wünscht sich einen Cordrock, wie ihn jedes normale Mädchen trägt und hört gerne Schlager – die Apothekenumschau zum Hören. All das durften sich am Ende restlos begeisterte Zuschauer anhören und dankten La Signora mit stehenden Ovationen.

Veranstaltungsankündigung

Seit Jahren ist La Signora in Sachen Unterhaltung auf den morschen Brettern, die die Welt bedeuten, unterwegs. Ob auf einem toten Esel zum Erfolg oder mit einem lahmen Gaul durchs Leben, La Signora ist für jede Situation mit ihrem Friedhofsmodenchic perfekt gekleidet.

Klein, Hummeltaille und Haarnetz! Tödliche Gags pflastern ihren Weg, die Leute geiern sich einen ab, aber nach der Show kräht kein Aas mehr nach ihr. Wie allein kann man sein, wenn selbst die Geier nicht mehr über einem kreisen? Die Rabattmarke des deutschen Kabarett zeigt in ihrem neuen Programm: Allein unter Geiern, dass Schicksal durchaus Spaß machen kann.

Wenn das Leben in ruhigen Bahnen verläuft, ist La Signora zur Stelle und stellt die Weichen auf Chaos. Atheisten werden gläubig und Heilige fallen der Wollust anheim. La Signora ist eine anbetungswürdige Verführerin, aber auch eine verführte Angeberin. Wo andere sich bemühen abzunehmen, legt La Signora noch einen drauf. Justitia ist blind, aber die Schicksalsgöttin mit ihren neapolitanischen Hühneraugen hat den Durchblick.

Keine Angst, was immer das Leben für einen bereit halten mag, ob Lottogewinn oder Unfall, dank La Signora ist der Unterschied gar nicht so groß. Doch allen Geiern sollte klar sein: Um sich auf eine Henkersmahlzeit zu freuen, braucht man schon eine gute Portion Galgenhumor! Außerdem, wahre Schönheit kommt von innen! Und wenn nicht, dann setzt man sich eben allein unter Geiern ein Haarnetz auf!

La Signora – Nie eingeladen, aber überall dabei.

05.02.2022: YOUNG SCOTS TRAD AWARDS WINNER TOUR

Pub-Musik und traurige Balladen

Hochdekorierte Nachwuchsmusiker traditioneller schottischer Musik trafen sich in Lantershofen

Beim Grafschafter Verein Kulturlant ging es am vergangenen Samstag britisch zu. Auf der Bühne zu erleben waren schottische Nachwuchsmusiker, und zwar die besten des Landes. Die, die alljährlich die Preise in den großen Nachwuchsfestivals, unter anderem der Scottish BBC abräumen, werden einmal im Jahr zu einer Konzertreise quer durch Deutschland eingeladen. Die Bühne im kleinen Lantershofen gehört dabei zu den bestbesuchten Konzertorten. Das war in diesem Jahr nicht anders. Hatte der gastgebende Verein Kulturlant in den vergangenen Wochen noch feststellen müssen, dass zahlreiche Besucher aus Respekt vor dem Corona-Virus lieber zuhause blieben und ihre Tickets verfallen ließen, war der Saal des örtlichen Winzervereins am Samstag proppenvoll und mit 250 Besuchern ausverkauft. Die „Young Scots Trad Awards Winner Tour“ ist auf der Grafschaft längst zu einem Selbstläufer geworden, bei dem Initiatorin Petra Eisenburger und Gitarrist Luc McNally, der die Tour seit vier Jahren begleitet, die Singer/Songwriterin und Pianistin Beth Malcolm, Akkordeon-Spieler Andrew Waite und Ali Levack mit einer Vielzahl von Flöten und dem traditionellen Dudelsack begrüßten.

Dabei stellten sich die vier Musiker im ersten Teil des Programms individuell mit ihrer Musik vor. Schon da wurde klar, dass es beileibe kein Abend mit ausschließlich ausschweifender Pub-Musik werden sollte. Andrew Waite als erster Musiker auf der Bühne stimmte auf seinem Akkordeon bereits sanfte Töne an, die die Ruhe der schottischen Landschaft vermittelten und eine entspannte Atmosphäre verbreiteten. Waite, der bereits im Alter von 15 Jahren seinen ersten Plattenvertrag erhielt, ließ seine tiefe Verwurzlung zur schottischen, irischen und englischen Traditions-Musik vom ersten Ton an durchblicken.

Auch Beth Malcolm entpuppte sich als Freundin der leisen Töne, präsentierte zunächst Songs, die sich mit ihrer Heimat rund um das Städtchen Perth im Südosten Schottlands beschäftigten, wie die Ballade „Leavin‘ Loch Leven. Dagegen liebt Flötist und Dudelsackspieler Ali Levack eher die schnelle und fröhliche Musik. „The Road to Recovery“ oder „Birdspotting“ lockten das Publikum schnell aus der Reserve. Im zweiten Teil des Konzerts teilten sich die vier Musiker die Bühne, musizierten mal gemeinsam, mal ohne Sängerin Beth Malcolm. Dabei ging es vor allen Dingen dann, wenn die drei Männer alleine zu ihren Instrumenten griffen, rund. Vor allem Ali Levack bewies, dass er als einer der führenden Instrumentalisten in der traditionellen Musikszene gilt. Mit dem Trio rückte auch die Pub-Stimmung in den Vordergrund, Songs wie „Big Country“ vom Komponisten Bela Fleck stehen für die traditionelle Musik an den Bars in den Highlands. „Nur wenn ich auf die Bühne komme, wird die Musik traurig“ merkte Beth Malcolm unterdessen an. Ihre Balladen gingen auch dank ihrer kräftigen und recht tiefen Stimme unter die Haut. Sie sei in der Runde der Männer die Mutter, die oftmals die Party beenden müsse“, meinte sich scherzhaft, erntete aber ebenso, wie ihre ausgezeichneten Mitstreiter, am Ende lange Applaus und stehende Ovationen.

Tour Leiterin Petra Eisenburger sammelte derweil am CD-Stand Spenden für Flutopfer, wie sie es während der gesamten Tour macht. Hier trafen sich Publikum und Musiker nach der Show noch auf ein irisches Guinness oder einen von Flutopfer Thorsten Rech aus Mayschoß präsentierten Whisky aus einer großen Auswahl.

Veranstaltungsankündigung

Young Scots Trad Awards Winner Tour 2022 – junge Schottinnen und Schotten brillieren mit frischem Scottish Folk!

Pipes & Drums – für viele besteht schottische Folkmusik aus der Marschmusik der Clans. Doch die Folkmusik Schottlands ist weitaus vielfältiger. Sie ist Ausdruck der gälischen Kultur und umfasst auch Tanzmusik und gefühlvolle Balladen in Gälisch, gespielt mit Harfen, Flöten, Geigen sowie Akkordeons und Gitarren; sogar Cellos kommen hin und wieder zum Einsatz. Der „Scottish Folk“ wird als lebendige Tradition weiterhin praktiziert, besonders von der jungen Generation, die bei sogenannten Trad-Discos den Folk in Partymusik verwandelt und die Nacht durchtanzt… Die Szene ist überaus aktiv, lebt weiter in zahlreichen Festivals, regionalen Folkmusik-Clubs und in den Bildungsinstitutionen, die die gälische Kultur am Leben halten. Und natürlich gibt es jährliche Wettwerbe, in denen sich die virtuosesten Nachwuchsmusiker der schottischen Szene messen können, so etwa beim „Young Traditional Musician of the Year Award“ von BBC Radio Scotland. Die Young Scots Trad Awards Winner Tour hat Concert Connections in 2018 ins Leben gerufen, um jedes Jahr einige dieser virtuosen MusikerInnen für ein jährliches Event nach Deutschland zu holen – in 2022 bereits zum fünften Mal in Folge. Dann werden im Februar Ali Levack (Dudelsack & Whistles), Beth Malcolm (Gesang & Piano), Andrew Waite (Akkordeon) mit Luc McNally als Begleitgitarrist ihre Virtuosität zunächst solo unter Beweis stellen, bevor sie im zweiten Programmteil mit ihrem Publikum eine ausgelassene Session feiern – pure schottische Lebensfreude!

29.01.2022: ANNES KAMPF

Schauspieler Thomas Linkes schwierigste Rolle

Auf der Kulturlant-Bühne wurden „Das Tagebuch der Anne Frank“ und Hitler’s „Mein Kampf“ gegenübergestellt

Das hatte so gar nichts mit der Leichtigkeit von Konzerten oder Kabarett zu tun, wie man sie in Lantershofen erleben kann: auf der Bühne im dortigen Winzerverein bot der Verein „Kulturlant“ am vergangenen Samstag „Anne’s Kampf.“ Bei dieser Gegenüberstellung der Werke „Das Tagebuch der Anne Frank“ und Hitler’s „Mein Kampf“ feierte Schauspieler Thomas Linke seine Premiere in der Rolle des Adolf Hitler. „Ich bin seit 35 Jahren Schauspieler, aber das hier ist meine bisher schwierigste Rolle“, sagte Linke nach dem Bühnenstück, dass sich knapp 70 Menschen anschauten. Nach der Veranstaltung diskutierten sie noch lange im Saal und später im Foyer mit den Schauspielern über die Wichtigkeit des Stücks in der heutigen Zeit, 77 Jahre nach dem Tod von Anne Frank, die wie ihre Schwester im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus starb. Erst in den vergangenen Tagen hatte es neue Hinweise auf den Verrat der beiden in einem Amsterdamer Hinterhaus versteckten jüdischen Familien gegeben, die dort von 1942 an lebten. Hier entstand besagtes Tagebuch, dass es zur Weltliteratur wurde.

Dass das Bühnenstück „Anne’s Kampf“ ins Leben gerufen wurde, liegt knapp sechs Jahre zurück. Schauspielerin Marianne Blum, die nicht nur die Texte aus dem Tagebuch, sondern auch zahlreiche Musikstücke vortrug, besetzt diese Rolle von Beginn an. Sie hatte das Stück gemeinsam mit Guido Rohm konzeptioniert und geschrieben. Blum berichtete dem Publikum im Anschluss an die Aufführung vom Jahr 2016, als das Münchener Institut für Zeitgeschichte seine in drei Jahren erarbeitete kommentierte Neuauflage von „Mein Kampf“ vorstellte. Das Werk schaffte es bis in die Bestsellerlisten. „Wie kann das sein, wer kauft so etwas“, hatte Blum sich seinerzeit äußerst irritiert gezeigt. Als dann die AfD im Jahr 2017 in den Bundestag einzog, war dies ein weiterer Grund, „Anne’s Kampf“ zu spielen.

Seit dieser Zeit tourt die Produktion durch Deutschland, ist in Schulen und Theatern gleichermaßen präsent. Dabei sorgte Thomas Linke in der Rolle des Hitlers für so manches Schaudern im Publikum, als er aus der politisch-ideologische Programmschrift mit einem immer ausgedehnteren Judenhass vortrug. Marianne Blum las derweil aus dem Tagebuch und zeigte dabei deutlich die Entwicklung der unbekümmerten 13-jährigen Anne Frank hin zur immer nachdenklicheren Jugendlichen auf. Immer wieder wurde die Lesung musikalisch untermalt. Nicht mit der Musik, die im Hause Frank gehört wurde, sondern mit den unterschiedlichsten Liedern, die in der Zeit des Nationalsozialismus Rollen spielten. Da waren jiddische Texte, wie „Es hot unds dos Leben gerufen“ oder „Schpil-she mir a Lidele in Jiddisch“ zu hören. Lieder, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden, die „Die Moorsoldaten“ fehlten nicht. Die seinerzeit große Zarah Leander mit ihrem „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ und dem „Davon geht die Welt nicht unter“, fehlte ebenfalls nicht. Sie war eine der Stars in der NS-Zeit und bewahrte ihre jüdischen Texter und Komponisten Bruno Balz und Michael Jary, die ihr einen Hit nach dem anderen schrieben, vor der NS-Verfolgung. Balz hatte beide Lieder in den ersten 24 Stunden, nachdem ihn Zarah Leander aus den Fängen der Nationalsozialisten befreit hatte, geschrieben. Schließlich kam sogar Richard Wagners „Nothung“ aus dem Nibelungenlied zu Gehör. Hitler war ein großer Fan Wagners, dessen Musik heute noch nicht in Israel gespielt wird.

Veranstaltungsankündigung

Annes Kampf
Anne Frank vs. Adolf Hitler

Adolf Hitler wusste von Anne Frank nichts, sie von ihm sehr wohl.

Hitlers „Kampf“ ist es, der die Geschichte der Anne Frank zeugt und beendet. Ende Februar, Anfang März 1945 stirbt sie im KZ Bergen-Belsen. Geblieben ist ihr Tagebuch. An diesem Abend erleben Sie, wie die beiden Texte in einer scharf geschnittenen Lesung  aufeinanderprallen. Grauen und Hoffnung, Bestie und junges Mädchen. Geschichte, die Geschichte mit höhnischem Gelächter erzeugt.

In einer Zeit, in der die Rechten wiedererstarken, ist es wichtig, den Kampf des kleinen Tagebuchs gegen den großen Diktator aufzuzeigen, um so einmal mehr ein Gespür und Gehör für die Feinheiten von Geschichte zu entwickeln. Denn Geschichte besteht immer aus Geschichten.  Und Geschichten bestehen aus Schicksalen.

Das Berliner Künstlerduo BLUM & HECKMANN, bestehend aus der Kabarettistin und Sängerin Marianne Blum und dem Schauspieler Stefan Heckmann garantiert einen Abend, der bei aller Schwere des Sujets nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam ist, so wie auch Anne Franks Text nicht nur traurig, sondern auch leidenschaftlich und humorvoll und Hitlers Machwerk nicht nur beängstigend, sondern stellenweise geradezu unfreiwillig komisch ist. Mit Respekt und Feingefühl nähern sich die beiden Künstler den Büchern und präsentieren sie so gekonnt und packend, dass dem Zuschauer die historische Realität lebendig wird.

Die Lesung wird musikalisch durch authentische jiddische Lieder, deutsche Schlager, Gassenhauer und Durchhaltelieder aus der Zeit ergänzt, die von MARIANNE BLUM live gesungen werden. Das ist lebenspraller Geschichtsunterricht!

28.01.2022: THE LORDS

Für Rock’n’Roll gibt es keine Altersgrenze

Mit den „Lords“ spielte die „dienstälteste Rockband der Welt“ in Lantershofen. „Lord Leo“ war schon 1959 dabei.

Musiker kennen keine Altersgrenze, das gilt für beinahe jedes Genre. Bekanntestes Beispiel sind sicherlich die Rolling Stones. In Deutschland haben sich „The Lords“ schon vor langer Zeit das Prädikat „dienstälteste Rockband der Welt“ auf die Fahnen geschrieben. Vergangenen Freitag trat die einst als deutsche Antwort auf die Beatles titulierte Band nach langer Corona-Pause wieder einmal auf. In Lantershofen zeigte sich dabei, dass auch viele ihrer Fans mit den Lords gealtert und den Rock’n’Rollern treu geblieben sind.

Auf der Bühne im örtlichen Winzerverein war auch einer der allerersten Lords dabei. Leo Lietz, genannt „Lord Leo“, greift bei seiner E-Gitarre auch mit 78 Jahren noch in die Saiten und ruft dem Publikum zu: „Wir können Musik nur laut.“ Ob es zu laut sei, fragte er nicht. Brauchte er auch nicht, schaute er doch ausschließlich in glückliche Gesichter.

Lietz war schon im Jahr 1959 Mitbegründer der „Skiffle Lords“, aus den später die Lords wurden. Basis war schon vorher eine Schülerband, wie bei vielen großen Musikgruppen. „Bei den Skiffle Lords hab ich noch Banjo gespielt“, erzählte Lord Leo im Gespräch mit dem General-Anzeiger gleich nach dem Lantershofener Konzert. Da wirkte er erstaunlich fit, berichtete aber dennoch, dass ein solcher Auftritt, der immerhin über mehr als eineinhalb Stunden lief, der Band schon zusetze: „Man wird älter und ein Konzert haut schon rein.“ Aber ans Aufhören denken Lietz und die anderen Bandmitglieder noch lange nicht. „Denn es macht ja Spaß, die Lust ist da und wir haben schließlich nie etwas anderes gemacht“, so der Ur-Lord. Wie ein Leben ohne Musik aussieht, hat die Band in den beiden vergangenen Jahren erfahren. Das letzte Konzert vor dem Lantershofener Gig spielte man im Juli vergangenen Jahres. „Wir haben uns zwar regelmäßig zum Proben getroffen, aber das Gefühl des Live-Spielens vor Publikum doch sehr vermisst“, machte Lietz klar, dass man sich ein Leben ohne Musik gar nicht vorstellen kann. Dabei komme es gar nicht darauf an, ob man vor Tausenden von Menschen spiele oder vor gut 200, wie im Lantershofener Winzerverein.

Hier blieben einige Stühle leer, wohl aus Angst vor Corona waren nicht alle Ticketinhaber gekommen. „Die haben was versäumt“, sagte Leo Lietz. Und Drummer Philippe Seminara, der seit dem Jahr 1998 ein Lord ist, ergänzte: „Die Saalgröße hat absolut keine Bedeutung, das Publikum war super, die Resonanz toll. Und man hat hier eine ganz andere Nähe zu den Fans.“ Natürlich erinnere er sich gerne an die großen Konzerte, ergänzte Lord Leo. Vor allem an die außergewöhnlichen Auftritte, waren die Lords doch die erste Band aus dem Westen, die während des Kalten Kriegs hinter dem Eisernen Vorhang spielen durften: „Wir waren zu einem Festival nach Polen eingeladen, haben vor 25.000 Menschen dort einen mit dem Festival verbundenen Wettstreit gewonnen und sind danach durch das ganze Land getourt.“

Das ist mehr als 50 Jahre her, auf der Bühne erinnerten die Songs der Lords dann aber wieder an die mittlerweile 62-jährige Bandgeschichte, die allerdings Anfang der 1970er Jahre nach dem Tod von Ulli Günther, dem Kopf der Band, für ein halbes Jahrzehnt unterbrochen wurde. 1976 kam man dann wieder zusammen, spielte in unterschiedlichen Besetzungen. Die letzte Änderung gab es vor zwei Jahren, als Sänger Bernd Zamulo nach 55-jährigem Lords-Engagement verkündete, der Akku sei leer. Zamulo stieg aus, seinen Platz als Bassist und Sänger nahm Roger Schüller ein, der sich als optimale Besetzung entpuppte. Als Schüller im Jahr 1964 das Licht der Welt erblickte, waren die Lords schon fünf Jahre auf den Bühnen im Land unterwegs.

Nie gewechselt hat die Position des Gitarristen, der hieß immer Leo Lietz. Wie sich der 78-jährige fit hält, verriet er: „Man muss schon ein wenig aufpassen, der Körper zeigt einem sonst die Gelbe Karte.“ Der Alltag bestehe daher bei ihm und den anderen Bandmitgliedern aus Spaziergängen, ein wenig Sport und Musik. Und damit langte es allemal, das Publikum im Lantershofener Winzerverein zu begeistern. Da hielt es kaum jemanden lange auf den Stühlen, vor allem die alten Gassenhauer, wie „Shakin‘ All Over“, „Greensleeves“ oder „Glory Land“ zeigte, wie textsicher die Lords-Fans auch heute noch sind. Und dann war da noch der größte Hit. „Poor Boy“ wurde von der Band in epischer Breite dargeboten und vom Saal frenetisch gefeiert. Text und Musik stammen übrigens aus der Feder von Leo Lietz, im Jahr 1965 komponierte er den Song.

Veranstaltungsankündigung

The Lords – Jetzt erst recht!

Wer auf die 60 zugeht, neigt bisweilen zu nostalgischen Anwandlungen. Nicht so The Lords, in den 1960er Jahren die Beatband Nr.1 in Deutschland, heute eine authentische und musikalisch anspruchsvolle Rockband mit nach wie vor großer Fangemeinde. Spätestens mit der Veröffentlichung des Albums „Now More Than Ever!“ im Jahre 2015 haben The Lords eine sehr individuelle musikalische Botschaft verbreitet: „Es gibt ein Leben danach!“ Ein Leben nach der jahrzehntelangen Reminiszenz an die guten alten Zeiten, das nostalgische Erinnern an Skiffle, Star Club, Beat Club und den Übervater Ulli Günther. Und den viel zitierten „Mantel der Geschichte“ geben die Musiker heute vor ihren Konzerten an der Garderobe ab. Die dienstälteste Rockband der Welt hat die Reset-Taste gedrückt! Das musikalische Repertoire der Band hat nie zur Disposition gestanden. Ohne Titel wie „Shakin‘ All Over“, „Greensleeves“, „Gloryland“ oder „Fire“ wären Gigs der Band nicht denkbar und auf „Poor Boy“ könnten sie wohl erst dann verzichten, würden die Rolling Stones ihrem Publikum „Satisfaction“ vorenthalten. Gleichwohl sind die traditionellen Songs heute ein Programmbestandteil, nicht aber alleinige Basis der Konzerte. Neue Songs wie “Everytime I Fall”, “If You Ain’t Got Love” oder “What Are We Waiting For” begeistern das Publikum.

The Lords: Sie sind nicht wieder da. Sie sind immer noch da. Und sie sind neu da!

The Lords, das sind:
Leo Lietz: Gitarre und Gesang
Bernd Zamulo: Bass und Gesang
Jupp Bauer: Gitarre und Gesang
Philippe Seminara: Schlagzeug

08.01.2022: JAZZ OHNE STRESS Vol. 17

Beschwingt ins neue Jahr

Bei der 17. Ausgabe von „Jazz ohne Stress“ in Lantershofen setzten nicht nur Tom Gaebel und Soleil Niklasson Akzente

Es ist Tradition, dass das Kulturjahr in Lantershofen mit einem Jazzevent eröffnet wird. Das war in diesem Jahr nicht anders, bereits zum 17. Mal hieß es „Jazz ohne Stress.“ Der im Ort aufgewachsene Musiker Jonas Röser hatte die Serie vor fast 20 Jahren ins Leben gerufen, im Jahr 2016 hatte der Verein Kulturlant die Organisation dann übernommen. Nach wirtschaftlich erfolgreichen Veranstaltungen hatte man 2020 beschlossen, ein Programm zu bieten, dass seinesgleichen sucht. Damals gehörte mit Denis Gäbel der Bruder von Weltstar Tom Gaebel zum Kreis der Musiker auf der Kulturlant-Bühne. Er tat sein Übriges, dass „Tom Gaebel and His Orchestra“ den Weg ins kleine Lantershofen fanden. Wegen der Pandemie im vergangenen Jahr noch ausgefallen, war Gaebel am vergangenen Samstag der Star in einem fantastischen Programm, bei dem der Entertainer mit kleinem „Orchester“ von gerade einmal vier Musikern das Publikum begeisterte. „Je kleiner das Orchester, desto außergewöhnlicher müssen die Musiker sein“, stellte Gaebel sein Orchester vor, bei dem Pianist Jerry Lu, Marcus Bartelt an Saxophon und Querflöte, Bassist Stefan Rey und Schlagzeuger Niklas Walter viele Gelegenheiten hatten, ihre individuelle Qualität unter Beweis zu stellen. Gaebel selbst hatte das Publikum vom ersten Takt an in seinen Bann gezogen, zumal er mit Klassikern aufwartete. Er sang über „Bad Bad Leroy Brown“ und ließ dem Auftakt Gassenhauer, wie „Fly me to the Moon“, „Quando“ oder „My Baby just cares for me“ folgen. Big-Band-Hits, wie „Sunny“ oder „Ol‘ Man River“ fehlten ebenso wenig in der rund einstündigen Vorstellung Gaebels, bei der er es am Ende mit „New York, New York“ auf den absoluten Höhepunkt eines Galaabends für Jazz und Swing brachte.

Das Publikum im Lantershofener Winzerverein tobte, tat dieses aber auch schon in der ersten Stunde von „Jazz ohne Stress.“ Die gestaltete die „Jonas Röser Session Five“, bei der sich Saxofonist Röser neben den beim Lantershofener Jazzabend lange etablierten Caspar van Meel (Kontrabass) und Dominic Brosowski (Schlagzeug) mit Martin Sasse einen der herausragenden Jazz-Pianisten in Europa eingeladen hatte. Sasse, van Meel und Brosowski eröffneten den Abend mit Sasses Stück „Two Souls“, um die Band zu exponieren. Dass es aber, wie Röser sagte, ein „Abend der Stimmen“ werden sollte, wurde schnell deutlich, führte der Saxofonist doch die in Lantershofen nicht unbekannte Soulsängerin Soleil Niklasson auf die Bühne, die sofort das Zepter übernahm. Mit ihrem „Love don‘t come easy“ sang sich die in Chicago geborene Wahl-Bonnerin schnell in die Herzen der Zuschauer. Mit „Love for sale“ oder „I thought about you“ folgten Stücke, in die Niklasson ihre individuelle Interpretation einfließen ließ, die den Musikern hinter ihr aber auch genügend Raum für starke Soli boten. Rösers Stücks „Blues for Mo‘“ stand im ersten Programmteil für die Botschaft an die Kinder, die die Flut im Ahrtal erleben mussten. „Wir wollen die Kinder stark machen, damit sie an der Erfahrung wachsen und stark bleiben“, so Jonas Röser. „Mit „God bless a child“ trug Soleil Niklasson zudem einen Song eigens für eine von der Flut stark betroffene Freundin vor, die nach großen Schicksalsschlägen im Flutopfer-Camp „Ahrche“ in Ahrweiler Halt fand.

Sowohl Röser, als auch der Verein Kulturlant waren nach fast drei Stunden am Samstagabend froh, dass man das aufwändige Jazzprojekt zwei Jahre nach Beginn der Planung trotz Pandemie erfolgreich präsentieren konnte. „Corona tut der Kulturbranche und jedem Künstler echt weh. Umso froher sind wir, dass die schon im Jahr 2019 verpflichteten Künstler nun noch ihrer Zusage nachkommen konnten“, untermauerte Jonas Röser am Ende auch den hohen Stellenwert, den „Jazz ohne Stress“ in Lantershofen unter Musikern genießt. Röser verriet, dass er fürs kommende Jahr Martin Sasse gerne eine tragende Rolle beim Jahresauftakt zukommen lassen würde.

Veranstaltungsankündigung

Lantershofen „Jazz ohne Stress“ heißt es am Samstag, 8. Januar, ab 20 Uhr im Winzerverein Lantershofen. Bereits im Januar 2020 stand ein festes Programm für die nunmehr 17. Auflage auf dem Plan. Umso größer ist die Freude, dass wir kommenden Januar nahtlos anknüpfen können. Der Konzertabend steht ganz im Zeichen großartiger Stimmen. Ganz besonders freuen sich die Konzertbesucher über das Gastspiel von Tom Gaebel und seinem Ensemble.

Seit Tom Gaebel 2005 sein Debütalbum „Introducing: Myself“ veröffentlicht hat, ist der Mann mit der unnachahmlichen Stimme aus der Musikszene nicht mehr wegzudenken. Kein anderer Entertainer Deutschlands verbindet derart leidenschaftlich knackige Big-Band-Sounds mit der mitreißenden Leichtigkeit des Easy Listening.

Kurzfristig konnten wir einen Überraschungsgast für den Abend gewinnen. Soleil Niklasson wird als featuring Guest der Jonas Röser (Saxophon) Session Five mit ihrer unnachahmlichen Stimme das Konzert eröffnen. Alle Konzertgänger aus 2019 erinnern sich an eine charismatische Stimme. Die aus Chicago stammende Ausnahmesängerin ist mit der Musik des Jazz, Gospel und Soul aufgewachsen und diese Authentizität spüren die Zuhörer auch in ihrer Musik. Ausgehend von der Notsituation im Aartal war es für Soleil eine Herzensangelegenheit, erneut in der Region aufzutreten.

Abgesehen von großartigen Stimmen, die durch den Abend führen, dürfen wir uns ebenso über herausragende Musiker freuen. Kein geringerer als Martin Sasse wird am Klavier die Röser Session Five im ersten Set des begleiten. Sasse hat im Laufe seiner Bühnenkarriere mit nahezu allen Legends im internationalen Jazz zusammengearbeitet und zählt lange schon selbst zu den herausragenden Jazz-Pianisten in Europa. Seine spektakulären Konzertreisen führen ihn rund um den Globus. Außerdem freuen sich alle Besucher der Konzertreihe auf unsere langjährigen Bandmitglieder. Caspar van Meel (Kontrabass) und Dominic Brosowski (Schlagzeug) ergänzen die Session Five im ersten Set. Van Meel arbeitet aktuell fieberhaft an einem CD Release für Mitte 2022 mit Arrangements zu Klavierwerken von Erik Satie.

07.01.2022: ALICE HOFFMANN

Burka wäre auch was für Männer

Schauspielerin Alice Hoffmann hat die Zeichen der Zeit erkannt

Die Zeit rennt, aber jede Zeit hat ihre eigenen Gesetze. Das hat auch Alice Hoffmann erkannt. Die „Kittelschürz‘ der Nation“ aus dem Saarland war am vergangenen Freitag im Rahmen der Kabarett-Serie beim Grafschafter Verein Kulturlant zu Gast. „Die Zeichen der Zeit“ lautet das aktuelle Programm von Alice Hoffmann, die sich überaus glücklich zeigte, wieder einmal vor Publikum auftreten zu können. Auf der Lantershofener Bühne im Winzerverein plauderte fast zwei Stunde vom Küchentisch aus über ihre Sicht auf die Dinge, vor allen Dingen aus der Zeit von „Fünf vor Corona.“ Dabei verhaspelte sie sich immer wieder gerne, scheiterte mit Fremd- und „Bekanntwörtern“ spätestens dann, wenn es zur Übersetzung ins Saarländische kam. Dem Publikum gab sie dafür erst einmal einen kleinen Vokabel-Exkurs in ihrem Dialekt, der beispielsweise gar keine Artikel für Frauen kennt, zumindest nicht die gebräuchlichen. „Es“ heißt es im Saarland, in dem sie in der Kultsendung „Familie Heinz Becker“ als „Es Hilde“ bundesweit zu Bekanntheit gelangte. Und dass keine saarländische Stadt bei Deutschland-Karten im Fernsehen zu sehen sei, gleichen die Sender durch Vergleiche aus. Denn das Saarland sei ein Eichmaß für Katastrophen: „Wenn es in Kanada Hochwasser hat oder in Australien der Wald brennt, dann oft in einer Fläche von den Ausmaßen des Saarlandes“, so Hoffmann.

Die „Hilde“ hat sie mittlerweile abgelegt, auch die Kunstfigur der „Vanessa Backes“, die Person an sich ist aber geblieben, nämlich die Hausfrau, die der Welt die Welt erklären will. Dazu nutzt sie ihre Erfahrungen, zum Beispiel beim Tipp an die älteren Besucherinnen im Saal: „Man kann mit 60 Jahren auch wie eine 40-jährige sein. Aber nur eine halbe Stunde am Tag.“ Wichtig sei dabei die Fitness, zeigte Hoffmann, dass man auch mit Besen und Schrubber zum Nordic Walking ansetzen kann. Großen Raum nahm die Auseinandersetzung mit den Religionen ein, ein aktuell gefundenes Kabarett-Thema. Im Burka-Ersatz, zusammengestellt aus alten schwarzen Tüchern, kann sie die Aufregung um das Kleidungsstück vor allem in der katholischen Kirche so gar nicht verstehen: „Die Nonnen sehen doch genauso aus.“ Im Übrigen wäre die Burka doch auch etwas für Männer, dann könnten sie bei sommerlicher Hitze statt des Anzugs im Büro auch den Schlafanzug drunter tragen. Und auch für Bankräuber biete der Überwurf nur Vorteile. Hoffmanns Forderung und Fazit war also: „Burka für alle!“

Alice Hoffmann berichtete über ihre Lieblingssendung mit „Jauche-Günther“ und spielte mit dem Publikum „Wer wird Millionär.“ Wobei sie dann auch schnell zum leidigen Thema der Finanzen kam. Aber da gibt es eine klare Meinung: „Geld alleine macht nicht glücklich. Es muss einem auch gehören.“

Veranstaltungsankündigung

Als „Hilde Becker“ aus der ARD Kultserie „Familie Heinz Becker“ wurde Alice Hoffmann bundesweit bekannt in ihrer Paraderolle der naiven, lieben aber einfältigen Hausfrau. Aktuell ist sie als Vanessa Backes in der TV-Comedie-Serie „Schreinerei Fleischmann“ und in der Kabarettsendung „Spätschicht“ zu sehen.

„Zeichen der Zeit“ ist der Titel ihres neuen Soloprogramms. Am Kaffeetisch werden die Zeichen der Zeit am eigenen Körper aber auch in der heutigen Gesellschaft gedeutet.

Doch von gemütlicher Kaffeekränzchen-Atmosphäre keine Spur. Ihre Gedanken laufen Amok: Passen Frauenfußball, Burka und Demokratie zusammen in das Deutsche Wohnzimmer? Oder wird der Raum dringend gebraucht für Sahnetorte, Fitnesswahn und Rassismus? Was wird aus dem Saarland, wenn AKK Kanzlerin wird? Wie geht man korrekt mit farbigen Oberärzten um ?

Hinter antiquierter Kassengestell Brille und gewagtem Kittelschürzen-New-Look-Blusenkleid steckt eine patent-gewiefte, begriffsstutzig-schlaue, naiv-kluge, provinzielle Dame von Format. Die brillante Schauspielerin Alice Hoffmann, zeichnet subtil ihr Frauenportrait, unterhaltsam, zum Ablachen, aber auch wohldosiert nachdenklich, kommt von Diäten über den Bauchtanz am Bügelbrett und dem modernen Terrorismus – oder etwa Tourismus? – spielend leicht zur Burka für alle.

04.12.2021: WILDES HOLZ

Flötentöne für Vivaldi und AC/DC

„Wildes Holz“ sorgten für ein außergewöhnliches Weihnachtskonzert in Lantershofen

Der Grafschafter Verein Kulturlant hatte Advent und Weihnachten im Blick. Alljährlich ist man in Lantershofen um ein besonderes Weihnachts-Event bemüht. In diesem Jahr hieß der Titel „Alle Jahre wilder“, dahinter zu finden waren die Musiker von „Wildes Holz.“ Die geben in ihrer Musik vor allem der unter manchem Weihnachtsbaum zu findenden Blockflöte eine ganz außergewöhnliche Hauptrolle. Tobias Reisige beherrscht das Instrument wie kaum ein anderer. Dabei hat er nicht nur eine Blockflöte im Koffer, die ganze Instrumentenfamilie reist mit ihm durch die Republik, von der Mini-Sopranflöte für die Jackentasche bis hin zur mannshohen Subgroßbassblockflöte, die in ihrer eckigen Form mehr an einen Marterpfahl erinnert. Aber auch da kommt Musik raus. An seiner Seite hat Reisige seit zwei Jahrzehnten Markus Conrads. Auch er liebt die Extreme der Instrumentengrößen, bestich am Kontrabass ebenso, wie an der Mandoline. Mit E-Gitarre und akustischer Gitarre komplettierte Johannes Behr die dreiköpfige Instrumentalband, die alles andere spielt, als das, was man von einer solchen Besetzung erwartet. Nur einmal tanzten sie an diesem Abend in Lantershofen nicht aus der Reihe, nämlich beim Vortag von Antonio Vivaldis Konzert für Flöte und Geige. Obwohl: statt drei spielten Wildes Holz nur zwei Sätze, dabei zunächst den zweiten, dann den ersten Satz. Die Tonart war mit C-Dur auch eine andere, als bei Vivaldis Original und die Geigen ersetzte die Gitarre.

„Wildes Holz“ halten sich einfach nicht an die Originale. Zumindest diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch das zweistündige Programm. Immer wieder wurden da Titel zusammengemischt. Titel, die eigentlich so ganz und gar nicht zusammenzumischen sind. Aber die Überschrift „Weihnachtskonzert“ verlangte es wohl so. Ein Beispiel: „Maria, come as you are durch ein Dornwald.“ Ein deutschsprachiges Adventslied aus dem 16. Jahrhundert trifft Nirvana. Manchmal muss man es nur mal probieren und siehe da, es passte.

Und was man nicht so alles aus der Blockflöte zaubern kann. Da wurde Heinz Rudolf Kunzes Stück „Brille“ neu interpretiert. Da kam Madonna mit „Like a virgin“ zu Gehör – passt ja irgendwie auch zu Weihnachten. Auf der Mandoline ließ Markus Konrads den R.E.M.-Klassiker „Losing my Religion“ erklingen und aus den „Kling, Glöckchen“ wurden die „Swing, Glöckchen.“ „Frosty the Snowman“ auf Holz klang verblüffend gut vom gestrichenen Kontrabass. Zwischendurch setzte Tobias Reisige zum Loop mit fünf verschiedenen Blockflöten an, ehe er sein größtes Blasinstrument hervorholte, um Grönemeyers „Mensch“ darzubieten. Und dann ging es auch noch den Synthesizer-Sünden der 90er-Jahre an die Kragen. „Rhythm is a Dancer“ oder „Coco Jambo“ hören sich auf der Blockflöte doch mindestens genauso gut an. Man muss es nur probieren. Und weil am Ende statt der dicken Glocke das Weihnachtsglöckchen erklang, wurde der AC/DC-Kracher „Hells Bells“ auch noch mit „Jingle Bells“ garniert. Ein außergewöhnliches Programm, nach dem das Publikum die drei Musiker gar nicht mehr von der Bühne lassen wollte. Erst, als Markus Conrads auch noch einer riesigen Säge „Leise rieselt der Schnee“ entlockte, war das Konzert beendet.

Veranstaltungsankündigung

Weihnachtsprogramm „Alle Jahre wilder“

Die Tradition sieht für die Blockflöte zu Weihnachten eine verhängnisvolle Rolle vor: Eigentlich will sie niemand hören, aber sie gehört halt irgendwie dazu. Also wird monatelang tagein tagaus geübt, um dem kleinen Tinnitus-Simulator weihnachtliche Klänge abzutrotzen. Doch man täusche sich nicht: auch richtige Töne können schief klingen! Selbst ein fehlerfreier Vortrag auf diesem Instrument kann die stille Wut der Verwandtschaft auf sich ziehen. So wird die Blockflöte zum perfekten Instrument gegen Weihnachtsharmonie. Da ist der Punk nicht weit!

Hier kommen die drei Musiker von Wildes Holz ins Spiel: sie kombinieren das kleine Folterholz mit einer akustischen Gitarre, einem Kontrabass und einer ordentlichen Portion Rock ’n‘ Roll. Mit heimlicher Freude üben sie immer neue Weihnachtslieder ein, um zu sehen, wie weit sie es damit treiben können.

Es entsteht eine irrwitzige Musik, die Virtuosität und Trash, Romantik und Disko miteinander verbindet. Klassik und Rock reichen sich die Faust, Grunge und Reggae treffen sich mit Maria im Dornwald. Alle Jahre wilder!

Besetzung: Tobias Reisige (Blockflöten), Markus Conrads (Kontrabass), Johannes Behr (Gitarre)

www.wildes-holz.de

03.12.2021: ONKEL FISCH

Ein Jahresrückblick besser als das Jahr

Das Satire-Duo „Onkel Fisch“ erinnerte mit Musik, Wortwitz und Gags an die Ereignisse aus 2021

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit für Jahresrückblicke. Einen solchen in satirischer Form präsentierte das Duo „Onkel Fisch“ am vergangenen Freitag im Lantershofener Winzerverein. Sicherlich kein leichtes Unterfangen für die beiden Kabarettisten, die aber gleich zu Beginn versprachen: „Der Rückblick wird besser als das Jahr.“ Und schon traten sie hinters Nachrichtenpult, um in bester Tagesthemen- Manier auf die verflossenen elf Monate und ein paar wenige Tage des Dezembers zurückzuschauen. Chronologisch gingen Onkel Fisch vor, hatten für so manch Ereignis einen Gag parat, angefangen im Jahr mit dem Geburtstagsständchen für eine Pandemie: Happy Covid! So manches kam den beiden abstrus vor, wie die „Inauguration“ von US-Präsident Biden, für Onkel Fisch eine Mischung aus Super-Bowl-Pausenprogramm und Messe. Dazu passend eine Anmerkung aus dem April: „Biden ist 100 Tage im Amt – und er lebt noch.“

Der Blick der beiden schweifte durchs In- und Ausland. Interessant im Februar: eine Amnestie für diejenigen, die Bundeswehr-Munition hatten mitgehen lassen. Da kam dann plötzlich mehr zurück, als vermisst wurde. Im März dann die Maskendeals von CDU-Politiker. Einzelfälle wurde da betont. „Ja, Einzelfälle“, konstatierten Onkel Fisch. Einzelfälle, wie sie die besagte Partie in schön-skandalöser Regelmäßigkeit produzierte. Die Aufzählung anderer Einzelfälle wollte kein Ende nehmen. Zehn Jahre Fukushima war da fast schon ein Grund zum Feiern.

Als „Investigativsatiriker“ erinnerte das Duo an den Tanker „Ever Given“, der im April das Nadelöhr der Globalisierung verstopfte. „Da kauf ich lieber bei Amazon Prime“, so die Konsequenz von Onkel Fisch. Und wieder gerieten die Christdemokraten ins Visier, krönte man doch Armin Laschet zum „Kandidaten von Söders Gnaden.“ Einige Namen tauchten übers Jahr immer wieder auf, auch der Deutsche Fussball Bund, der seit Mai einen Präsidenten vermisst. Oder der Vatikan, wo man sich selbst mit der Aufklärung dubioser Dinge beschäftigt: „Da ist Kinderschändung genauso strafbar, wie eine Frau zum Priester zu machen.“ Und nochmal einer für die Christdemokraten und ihren Verkehrsminister Scheuer als Hauptdarsteller in der „Sendung mit der Maut.“ Ja, es flimmerte auf der Mattscheibe. In den Hauptrollen: Jeff Bezos und Elon Musk, die im Juli als „Schweine im Weltall“ daherkamen. Na dann schon lieber den Skandal schlechthin: Spaghetti Bolognese lösten die Currywurst als beliebtesten Kantinenessen ab. „Ach ja“, dürfte so mancher der knapp 100 Gäste angesichts der Erinnerungen an langweiliges Wahlgeplänkel namens „Triell“ im September, eine Fußball-WM-Quali, die auch die Handballer geschafft hätten im Oktober oder einer Weltklimakonferenz unter dem Motto „Mit Vollgas gegen die Wand“ im November geschafft haben. Und auch für den Dezember hatten Onkel Fisch schon geschichtliches parat: Abschiedszeremonie für Angela Merkel mit der Feststellung: „Bei der Bundeswehr funktionieren immerhin die Posaunen.“ Am Ende blieb die Feststellung: der Rückblick war wirklich lustiger als das Jahr.

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WDR 2 Zugabe Pur Jahresrückblick mit ONKeL fISCH
Der satirische Jahresrückblick mit dem Wichtigsten Witzigsten aus 2020

Im Radio blicken ONKeL fISCH für WDR 2 alle sieben Tage in ihrer hochgelobten Sendung auf die Woche zurück. Von der Kurzstrecke für’s Radio geht’s am Ende des Jahres zum fünften Mal auf lange Tour durch die Theater der Republik.

Ein Virus hält die Welt in Atem. Adrian Engels und Markus Riedinger alias ONKeL fISCH sprinten durch ein Jahr, das viele eher zum Weglaufen fanden. Und gerade ein Seuchenjahr verdient ein satirisches Antiviren-Programm mit Klärung der wichtigsten Fragen: 30 Jahre Wiedervereinigung – warum halten Ost und West immer noch 1,5m-Abstand? Bedeutete die Oktoberfest-Absage Saufen im Dahoam-Office? Was ist giftiger: Glyphosat oder Wladimir Putin? Warum ging der Wertpapier-Trend 2020 zu Klorollen? Die Briten verlassen die EU – haben sie ein Ass im Ärmelkanal? US-Wahlen: Mit Dreck bewerfen oder schon Schlammcatchen ohne Hose?

Dieser Jahresrückblick ist anders, denn die beiden Bewegungsfanatiker von ONKeL fISCH präsentieren 365 Tage in 90 atemlosen Minuten: Hier wird nach Herzenslust gespottet, gelobt, geschimpft, gesungen und getanzt. Action-Kabarett direkt aus den kreativen Köpfen zweier preisgekrönter und erfahrener „Meister der Kleinkunst“ (Main Echo).

www.onkelfisch.de

26.11.2021: NEKTARIOS VLACHOPOULOS

Die Maske verhindert die Verbreitung von Mundgeruch

Am Freitag war Slampoet Nektarios Vlachopoulos in Lantershofen – Künstler und Theater befürchten einen neuerlichen Lockdown

Immer mehr Corona-Infektionen, lange Schlangen und stundenlanges Warten dort, wo geimpft wird. Steigende Forderungen nach Einschränkungen des täglichen Lebens bis hin zum Lockdown. Wie geht man da mit lange geplanten Veranstaltungen um? Die seit dem 24. November geltende 28. Corona-Bekämpfungsverordnung in Rheinland-Pfalz erlaubt Veranstaltungen und richtet die Beschränkungen, wie alle Bundesländer, nach der  landesweiten Hospitalisierungsinzidenz aus. Aktuell besagt diese, dass Veranstaltungen noch nach der 2G-Regel stattfinden dürfen, also für Geimpfte und Genesene. Wer nicht zu diesen Kreisen zählt, muss draußen bleiben.

In Lantershofen fand am Freitagabend ein Kabarett-Gastspiel statt. Gastgeber im örtlichen Winzerverein war der Verein Kulturlant, der in erster Linie in diesem Haus, das seit Ankauf und Umbau durch die Gemeinde Grafschaft im Jahr 2017 eine kulturelle Versammlungsstätte ist, alljährlich rund zwei Dutzend Kulturveranstaltungen in der dunklen Jahreszeit anbietet. „Wir arbeiten hier nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen“, sagt Vorstandssprecher Udo Rehm. Andere Vereine im Ort machen es ebenso, man hat bei der örtlichen Kirmes im September, die man nicht ausfallen lassen wollte, gute Erfahrungen gemacht. Nicht alle sehen es so, es wurden schon Vereinsveranstaltungen aufgrund der Corona-Entwicklung abgesagt.

Udo Rehm selbst steht mit zwei Mitarbeitern des Ortsvereins Grafschaft vom Deutschen Roten Kreuz vor der Eingangstür und kontrolliert dort von jedem Besucher den Nachweis, dass dieser geimpft oder genesen ist. Zusätzlich muss jeder Gast seine Kontaktdaten hinterlassen, entweder durch Einloggen mittels Luca-App oder handschriftlich auf einer Besucherkarte, die der Verein dann vier Wochen lang aufbewahrt. Am Eingang steht ein Spender mit Desinfektionsmittel, hier wird reichlich Gebrauch gemacht. Desinfizieren, Smartphone halten, Tickets in der Hand – das alles ist nicht einfach. Erst nach einer weiteren Kontrolle dürfen die Besucher in den Saal. Außerhalb vom Sitzplatz herrscht Maskenpflicht.

Auf der Bühne ist an diesem Abend Nektarios Vlachopoulos zu Gast, ein aufstrebender junger Kabarettist, der gerade 30 Jahre alt geworden ist. Seinen sicheren Job als Deutschlehrer hat der im Kraichgau aufgewachsene Wortakrobat zugunsten der Tingelei über die Bühnen der Republik aufgegeben und schnell renommierte Preise gewonnen. Er gewann die Kabarett-Bundesliga 2017, die St. Ingberter Pfanne und auch den Förderpreis des Deutschen Kabarettpreises. Über den Poetry Slam kam Vlachopoulos zum Kabarett, auf der Bühne verbindet er beides und bringt das Publikum zum Lachen. Auch mit seinen Gags über Masken und deren Verhinderung der Verbreitung des Mundgeruchs. Über den Tod hat er sich Gedanken gemacht, sagt Vlachopoulos. Zumindest über seine letzten Worte. Sofern diese einmal der Nachwelt überliefert werden sollten, sollte doch mehr dahinter stecken, als bei Goethes letzten Worten „Mehr Licht.“ In erster Linie aber besticht der selbsternannte Slam Poet mit seinen Texten vom Besuch auf der Technoparty, seiner schwäbischen Version von „Fifty Shades of Grey“ oder der Erweiterung des Vokalgedichts zur Vokaltragödie, in der „A“ wie Anna, „E“ wie Elke, „I“ wie Iris, „O“ wie Otto und „U“ wie Ulf die Hauptrollen spielen. Das Publikum hat sichtlich Spaß und deckt sich nach der Show reichlich mit Büchern des Künstlers ein, die dieser für einen Zehner anbietet und gerne signiert.

Eigentlich wollte er von Lantershofen nach der Übernachtung weiterreisen nach Herne, wo am Samstag sechs Kabarett-Künstler im Finale um den Preis „Tegtmeiers Erbe“ streiten wollten. Am Dienstag hatte die Stadt Herne die Veranstaltung mit 700 Gästen abgesagt. Kulturlant hat bis dato noch keine Veranstaltung abgesagt, das Publikum wird aber immer zurückhaltender. Neben den rund 80 Kabarett-Abonnenten hatten für Nektarios Vlachopoulos nur noch 20 Menschen ein Ticket erworben. „Seitdem die Corona-Zahlen förmlich explodieren, verkaufen wir so gut wie gar keine Tickets mehr“, so Vorstandssprecherin Mary Witsch. Auf die rund 100 Gäste vom Freitag kamen noch einmal 150 leere Stühle. Man habe voll bestuhlt, da sei es nicht ganz so eng, betonte der Verein. Mit einem stündlich fünffachen Luftaustausch im Festsaal und weiteren Luftreinigern im Gebäude habe man viel für die Sicherheit getan. Zudem gelten Theaterbesuche als relativ sicher. Während die Luca-App 49 Prozent der Besucher eines Clubs oder 10,9 Prozent der Gäste eines Restaurants im Anschluss eine Infektionswarnung schicke, liege diese Zahl im Theater bei 0,9 Prozent. „Wir tun alles, damit unser Publikum sicher ist und sich auch so fühlt“, so Vorstandssprecher Rehm. Daher hoffe man auch, am kommenden Freitag den satirischen Jahresrückblick des Duos „Onkel Fisch“ und am Samstag Weihnachts-Rock mit dem Trio „Wildes Holz“ anbieten zu können.

Veranstaltungsankündigung

In Zeiten, in denen sich das brave Bürgertum angesichts einer immer schnelleren, lauteren, verwirrenderenrenderen Lebenswelt nach einfachen Lösungen sehnt, macht ein Mann endlich keine klare Ansage. Blitzschnell referiert der diplomierte Hobbylexikograf und knallharte Straßenkabarettist über die randgesellschaftlichen Probleme der äußeren Mittelschicht.

„Ein ganz klares Jein!“ ist das Manifest der Unverbindlichkeit. Eine in Granit gemeißelte vorsichtige Handlungsempfehlung für unentschlossene Dogmatiker. Die Programm gewordene Ambivalenz des negierten Widerspruchs am Gegeneiltag. Ein Muss für jeden, der nicht will. Also Stifte raus und hingelegt, prokrastinieren kannst du noch morgen. Nektarios verklärt jetzt Tacheles! Oder auch nicht. Er ist sich da nicht so sicher….

www.nektarios-vlachopoulos.de