Ein Meister der Selbst-Suboptimierung
Multitalent Ingolf Lück eröffnete die neue Kulturlant-Saison in Lantershofen
Der Wahl-Kölner und gebürtige Bielefelder Ingolf Lück ist Schauspieler, Moderator, Synchronsprecher, Tänzer – und Comedian. Zwei Mal bereits wurde ihm der Deutsche Comedypreis verliehen. Und in genau dieser Rolle eröffnete der mittlerweile 61-jährige, dem man sein Alter nicht ansieht, am Samstag die neue Spielzeit des Grafschafter Vereins „Kulturlant“ auf der Bühne im Lantershofener Winzerverein. 250 Gäste im seit Wochen ausverkauften Saal hörten sich die Geschichten aus dem und über das Leben von Lück an. „Sehr erfreut – die Comedy-Tour“ lautete der Titel, wobei der Comedian betonte, es handele sich eher um Kabarett, bei dem das Publikum auch einiges zu schlucken habe. Vorweggenommen: in Lantershofen mussten sich die Besucher schon ganz andere Dinge anhören.
In den zwei Stunden seines Vortrags, meist im Sitzen gehalten und mit Manuskript auf dem Tisch, steigerte sich Lück von Minute zu Minute. Natürlich musste er erst einmal aufs eigene Alter eingehen, um klarzumachen, er sei nicht alt: „Höchstens Vintage.“ Aha. Von „weise“ war auch etwas zu hören, als er den Kollegen Richard Rogler mit dessen Fürsprache für einen Veggie-Day zitierte: „Ich esse gerne einmal in der Woche Salat – am liebsten Wurstsalat.“ Wohlwissend, dass Lantershofen keine Stadt ist, wie er spätestens bei der eigenen Dorferkundung feststellte, machte Lück seine Witze übers Leben auf dem Land in Verbindung mit dem TV-Schlager „Bauer sucht Frau.“ An seiner Heimat Bielefeld ließ er auch kein gutes Haar: „Da bist du auch bei deinem 20. Schützenfest noch immer der Neue.“
Lück, der seit der nicht bestandenen Radfahrprüfung im vierten Schuljahr illegaler Radler ist und schon früh feststellte: „Als Kind konnte ich gar nix“, gab sich mit dieser Erkenntnis eine neue Lebensmaxime: „Ich betreibe keine Selbstoptimierung, sondern Selbst-Suboptimierung.“ Sprich, er stellt sein Licht gerne unter den Scheffel. Das kann helfen, erspart beispielsweise Einladungen, Freunden beim Umzug zu helfen, wenn die wieder mal zu geizig sind, Profis zu bestellen. Da stellt man sich dann einfach mal ein bisschen dumm an. Zwei Mal ging das fast ins Auge. „Da war ich kurz vorm verrückt werden“, berichtete Lück und klärte auf, wann das war: einmal, als er mit vier Jahren einen Kaugummi verschluckte, obwohl die Mutter ihm doch gesagt hatte, davon müsse man sterben. Und dann, als er im Alter von 50 mit seiner Frau zum Kiffen nach Amsterdam fuhr und dem Rest der Familie einen Kulturtrip vorgaukelte. Mehr und mehr begann der Comedian nun, seine schauspielerischen Fähigkeiten auf die Lantershofener Bühne zu bringen.
Selbst-Suboptimierung – unweigerlich kam da auch die Frage auf, ob man denn tatsächlich zivilisiert sei. Zweifel am anderen kamen auf, als der Freund ihm auf die Frage, was er gerade mache, ein Selfie von der Toilette sendete. Zweifel an der eigenen Zivilisation, weil er so gar nicht das Erwachsenwerden der eigenen Tochter akzeptieren will. „Soll ich sie nach der Natascha-Kampusch-Methode erziehen?“, so die Frage ins Publikum. Zu spät – der Freund steht schon auf der Matte. Für Lück die nächste Situation, um verrückt zu werden. Also, so die Selbsterkenntnis, hilft doch nur eins: „Jeder ab 70 Jahren sollte einmal im Jahr testen lassen, ob sich seine Existenz noch lohnt.“ Und dann stellte er fest: in neun Jahren muss ich dann selbst zum Test.
Veranstaltungsankündigung
Es ist schon nicht einfach: Kaum fühlt man sich innerlich dem Bobby Car entstiegen, ist da überall diese Verantwortung. Alles ist nur noch ökologisch, alle sind fit und ständig soll man im Einklang mit sich selbst sein, auf dass der eigene Darm noch charmanter werde. Was für eine Aussicht für jemanden, der gerade 60 geworden ist und sich eigentlich nichts Anderes wünscht, als endlich in der Straßenbahn auch mal einen Platz angeboten zu bekommen? Vier Jahre nach „Ach Lück mich doch“ steht Ingolf Lück mit seinem neuen Programm „Sehr erfreut! Die Comedy-Tour 2019“ wieder auf den Kabarett- und Comedybühnen des Landes. Und diesmal wird ausgeteilt!
Charmant, aber direkt seziert er eine Welt, die sich so schnell dreht, dass es sich manchmal lohnt, einfach stehen zu bleiben, sich umzuschauen und auf die nächste ahn zu warten. Dabei widmet er sich den großen wie auch den nicht ganz so drängenden Fragen dieser Zeit. Warum muss Bio immer so klingen, als ob man dafür erst mit dem Kiffen anfangen muss? Wieso gibt es am Ende von Rolltreppen keine Falltüren? Und wie soll man sich verhalten, wenn man ein 50-Cent-Stück im Döner findet oder die eigene Tochter plötzlich den Veith mitbringt? Nach mehr als 30 Jahren auf der Bühne, weiß Ingolf Lück endlich Rat.