09.02.2019: THOMAS FREITAG

Erschreckende Wahrheiten im Mantel des Kabaretts

Kabarettist Thomas Freitag sezierte die vielen Problemzonen Europas – Weckruf für Ahrweiler Freiheitswochen

Thomas Freitag, seit Mitte der 1970er Jahre als Kabarettist und Parodist auf Deutschlands Bühnen zuhause, hat den Nagel wieder einmal ins Schwarze getroffen, als er sich vor gut zwei Jahren dazu durchrang, sein 18. Soloprogramm zum Thema „Europa“ zu schreiben. Ein Thema, dass auch bei der 197. Aufführung des Programms am Samstag in Lantershofen aktuell ist und scheinbar täglich aktueller wird. Als politischer Kabarettist muss Freitag dabei natürlich tagesaktuell bleiben und vom Konzept schon mal abschweifen. Dieses Mal bekam Verkehrsminister Scheuer für seine jüngsten Einlassungen sein Fett weg: „Wir Europäer haben von den Ägyptern die Zahlen überliefert bekommen, die Null ist heute Verkehrsminister.“

250 Zuschauer im ausverkauften Lantershofener Winzerverein erlebten einen launischen Thomas Freitag in der Rolle des Peter Rübenbauer. Der ist EU-Bürokrat und für die Entwicklung aller europäischen Kreisverkehre zuständig. Besser: er war es. War es doch ausgerechnet der Brite, der ihm im neuen Kreisel auf Lesbos entgegen kam und ihm den Unfalltod bescherte. Der Brite mit seinen Launen wie dem Linksverkehr, dessen Insel am besten ein paar Kutter aufs Meer Richtung Amerika schleppen würden. Nun findet sich Rübenbauer im Jenseits wieder, an einer verkommenen Haltestelle mit umgeworfenem Mülleimer. Zeit, nachzudenken. Über das, was Europa heute noch ist, was es mal war und was es eigentlich sein sollte. Zeit, im Jenseits auch ein paar Menschen zu treffen. Willi Brandt zum Beispiel, eine von Freitags Paraderollen als Parodist. Brandts übergroße Statue in der Parteizentrale sollte AFD-Chef Gauland für dessen „Vogelschiss-Eklat“ mal eine scheuern. Zeus war auch im Jenseits zu treffen und machte klar: „Das alte Rom war das erste zentrale Europa.“ Nur hielt damals die Philosophie Europa zusammen, heute ist es die Betriebswirtschaft. Dann die Religionen, vertreten durch den evangelischen Selbstmordattentäter, der mit alten Socken tötet, weil er nicht mit ansehen kann, wie die anderen faulenzen, während sein Luther doch der erste echte Arbeiter war. Thesen anschlagen war halt anstrengend.

Europa ist nicht jedermanns Sache, bestimmt nicht die vom Bürgermeister von Brunshausen, ist das doch die Geburtsstadt des Leberkäses. Und heute? Da produziert jeder Depp das Gericht, dass weder Leber, noch Käse beinhaltet. Sein Fazit: Europa ist eine gute Sache, man hätte es nur nicht mit anderen Ländern machen sollen. Apropos Länder: Freitag malte auf, was wäre, wenn Facebook ein Land wäre. Der größte Staat der Erde, wo jeder Emsländer das Mittagessen und die Hämorrhoiden-Salbe bewerten soll.

Das richtige Rezept, wie man mit Europa umgehen soll, damit es künftig nicht nur durch die Champions League geeint ist, fanden Rübenbauer und seine Leidensgenossen im Jenseits nicht, dafür hinterließen sie aber eine Menge Nachdenkliches bei den Besuchern der Kulturlant-Bühne. Mit dem Thema „Europa“ beschäftigen sich ab 13. März auch die Ahrweiler Freiheiter zweieinhalb Wochen sehr intensiv. Der Kabarettabend mit Thomas Freitag war sozusagen der Weckruf zu den vierten Ahrweiler Freiheitswochen, die dann mit einer Fülle von Vorträgen, Ausstellungen, Kulturveranstaltungen, Schülerwettbewerben und mehr aufwarten werden.

Veranstaltungsankündigung

„Europa, der Kreisverkehr und ein Todesfall“ Europa! Was für ein erstaunlicher Erdteil! Ein Kontinent, der die Philosophie erfunden hat, die moderne Wissenschaft entwickelt und die Menschenrechte formuliert hat … und der es heute schafft, auf über 3000 Seiten zu erklären, wie viel Wasser maximal durch einen Duschkopf fließen darf. Europa ist eine große Idee. Die Idee, eines Hauses, in dem 28 verschiedene Nationen (je nach Laune vielleicht auch nur 27) zusammenleben und zusammenarbeiten. Wobei jeder, der mal versucht hat, in einer WG mit nur drei Leuten einen Spülplan zu entwickeln, ahnt: Das wird sauschwer! Europa steht nicht gut da im Moment. Früher suchten hier Touristen aus Übersee nach den Resten der alten Ruinen. Heute scheint Europa selbst die größte Ruine zu sein. Thomas Freitag wirft in seinem neuen Programm einen scharfen, satirischen und sehr komischen Blick auf Europa… oder das, was davon noch übrig ist. Er schlüpft dazu in die Rolle des EU-Bürokraten Peter Rübenbauer, der für die Entwicklung aller europäischen Kreisverkehre zuständig ist… bis der „worst case“ geschieht: Rübenbauer verunglückt in einem Kreisverkehr und findet sich nun auf der Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen Himmel und Hölle, zwischen dem ewigen Licht und einer EU-Energiesparlampe wieder. Und er stellt sich hier die großen Fragen: Habe ich im Leben alles richtig gemacht? Habe ich meine Ziele erreicht? Und habe ich wirklich für Europa gekämpft? Für dieses seltsame Gebilde, das uns Skipisten in Dänemark, Schwarzwälder Schinken aus Lettland und zwei Millionen Kreisverkehre beschert hat …? Aber eben auch 70 Jahre Frieden und Wohlstand. In einem rasanten Monolog seziert Thomas Freitag das heutige Europa, schlüpft dafür in viele verschiedene Rollen, schlägt den Bogen von der Antike bis heute, von der Hochkultur zur Politik, von Gott bis in die Welt. Und er kommt den großen Wahrheiten damit ziemlich nahe. Ein himmlischer Abend für Europäer, die glauben, dass Europa vielleicht doch noch mehr ist als Song-Contest und Champions League. Ein himmlischer Abend für skeptische Europäer.
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