Erschreckende Wahrheiten im Mantel des Kabaretts
Kabarettist Thomas Freitag sezierte die vielen Problemzonen Europas – Weckruf für Ahrweiler Freiheitswochen
Thomas Freitag, seit Mitte der 1970er Jahre als Kabarettist und Parodist auf Deutschlands Bühnen zuhause, hat den Nagel wieder einmal ins Schwarze getroffen, als er sich vor gut zwei Jahren dazu durchrang, sein 18. Soloprogramm zum Thema „Europa“ zu schreiben. Ein Thema, dass auch bei der 197. Aufführung des Programms am Samstag in Lantershofen aktuell ist und scheinbar täglich aktueller wird. Als politischer Kabarettist muss Freitag dabei natürlich tagesaktuell bleiben und vom Konzept schon mal abschweifen. Dieses Mal bekam Verkehrsminister Scheuer für seine jüngsten Einlassungen sein Fett weg: „Wir Europäer haben von den Ägyptern die Zahlen überliefert bekommen, die Null ist heute Verkehrsminister.“
250 Zuschauer im ausverkauften Lantershofener Winzerverein erlebten einen launischen Thomas Freitag in der Rolle des Peter Rübenbauer. Der ist EU-Bürokrat und für die Entwicklung aller europäischen Kreisverkehre zuständig. Besser: er war es. War es doch ausgerechnet der Brite, der ihm im neuen Kreisel auf Lesbos entgegen kam und ihm den Unfalltod bescherte. Der Brite mit seinen Launen wie dem Linksverkehr, dessen Insel am besten ein paar Kutter aufs Meer Richtung Amerika schleppen würden. Nun findet sich Rübenbauer im Jenseits wieder, an einer verkommenen Haltestelle mit umgeworfenem Mülleimer. Zeit, nachzudenken. Über das, was Europa heute noch ist, was es mal war und was es eigentlich sein sollte. Zeit, im Jenseits auch ein paar Menschen zu treffen. Willi Brandt zum Beispiel, eine von Freitags Paraderollen als Parodist. Brandts übergroße Statue in der Parteizentrale sollte AFD-Chef Gauland für dessen „Vogelschiss-Eklat“ mal eine scheuern. Zeus war auch im Jenseits zu treffen und machte klar: „Das alte Rom war das erste zentrale Europa.“ Nur hielt damals die Philosophie Europa zusammen, heute ist es die Betriebswirtschaft. Dann die Religionen, vertreten durch den evangelischen Selbstmordattentäter, der mit alten Socken tötet, weil er nicht mit ansehen kann, wie die anderen faulenzen, während sein Luther doch der erste echte Arbeiter war. Thesen anschlagen war halt anstrengend.
Europa ist nicht jedermanns Sache, bestimmt nicht die vom Bürgermeister von Brunshausen, ist das doch die Geburtsstadt des Leberkäses. Und heute? Da produziert jeder Depp das Gericht, dass weder Leber, noch Käse beinhaltet. Sein Fazit: Europa ist eine gute Sache, man hätte es nur nicht mit anderen Ländern machen sollen. Apropos Länder: Freitag malte auf, was wäre, wenn Facebook ein Land wäre. Der größte Staat der Erde, wo jeder Emsländer das Mittagessen und die Hämorrhoiden-Salbe bewerten soll.
Das richtige Rezept, wie man mit Europa umgehen soll, damit es künftig nicht nur durch die Champions League geeint ist, fanden Rübenbauer und seine Leidensgenossen im Jenseits nicht, dafür hinterließen sie aber eine Menge Nachdenkliches bei den Besuchern der Kulturlant-Bühne. Mit dem Thema „Europa“ beschäftigen sich ab 13. März auch die Ahrweiler Freiheiter zweieinhalb Wochen sehr intensiv. Der Kabarettabend mit Thomas Freitag war sozusagen der Weckruf zu den vierten Ahrweiler Freiheitswochen, die dann mit einer Fülle von Vorträgen, Ausstellungen, Kulturveranstaltungen, Schülerwettbewerben und mehr aufwarten werden.