Da blieb kaum Zeit zum Lachen
Der preisgekrönte Kabarettist Martin Zingsheim regte das Kopfkino an
Martin Zingsheim, gerade 33 Jahre alt und für seine jüngsten Programme auf der Bühne bereits mit 18 renommierten Preisen versehen, war am Samstag bei Kulturlant in Lantershofen zu Gast. Was er den rund 180 Zuhörern dort bot, machte schnell deutlich, warum der junge Mann schon so hoch dekoriert ist. Der promovierte Musikwissenschaftler, der auf dem Weg zum Traumberuf des Komponisten in die Kleinkunst abrutschte, begeisterte das Lantershofener Publikum im dortigen Winzerverein ausschließlich mit seinem Vortrag. Kein Tisch, kein Stuhl, keine Pflanze – überhaupt keine Requisite war auf der großen Bühne zu sehen. Nur ein Mikrofonständer. Nicht einmal das Licht wechselte während der knapp zwei Stunden. In denen ließ der Kabarettist, der eigentlich gar nicht weiß, ob er sich so bezeichnen sollte, einen ständigen Film mit etlichen Szenenwechseln in den Köpfen seiner Zuhörer abspielen. Kopfkino eben, das bei jedem anders aussieht, wie Zingsheim anschaulich verdeutlichte. Beispiel: man überholt ein Wohnwagengespann und der Fahrer assoziiert: „Wohnwagen – man müßte mal wieder nach Holland fahren.“ Der Beifahrer aber denkt: „Prostitution – man müsste mal wieder…“ Aber keine Sorge, schlüpfrig war es zu keiner Zeit, themenreich schon.
Obwohl, oder gerade weil Zingsheim deutlich machte, man solle nur darüber reden, wovon man Ahnung habe. Aber einen zweistündigen Vortrag über trinkbaren Rotwein unter zwei Euro wollte er dem Publikum dann doch nicht antun. „Ob der Abend sie letztlich aber weiterbringen wird, weiß ich nicht“, dämpfte er gleich einmal die Erwartungen, um sich seinen Themen zuzuwenden. Die „Sprache“ war eines davon. Was kann man damit so alles anstellen, und wie gefährlich kann Sprache in der digitalen Welt werden? Hin und wieder streifte Zingsheim dabei das politische Kabarett, referierte über die Begabung der Bundeskanzlerin, ihre Meinung in einem Satz komplett zu wechseln und schwenkte dann wieder zu ganz anderen, gerne auch schon mal banalen Themen. Das „Wildpinkeln“ beispielsweise, das unter teils drastischen Strafen stehe – außer man trägt eine Leine um den Hals und bellt. Das brachte Ideen auf: „Machen Sie doch einfach mal ganz verrückte Sachen“, empfahl der Anhänger des radikalen Konstruktivisimus, der jedem Menschen seine ganz eigene Sicht der Realität unterstellte.
Martin Zingsheim präsentierte dem Publikum ein Feuerwerk an Pointen, wer zu lange lachte, verpasste schon wieder eine. Die rasante Ein-Mann-Show jenseits aller Schubladen zeigte den wilden Gedankenstrom des promovierten Lockenkopfes auf, der sich statt einer Kindheit in den 90ern lieber eine in den 60ern gewünscht hätte. Wegen der Musik und der Party. Dennoch: „Bob Dylan hätte zum Logopäden gemusst.“ Zingsheim reflektierte, warum es Familientragödien immer nur in heterosexuellen Partnerschaften gebe und forderte im nächsten Satz dazu auf, die Kirche zu enteignen, wobei er dem Katholischen doch eine humoristische Grundstimmung unterstellte. Und er sieht das einzige Problem im Veganismus in den Veganern, die sich über Gütesiegel in der Fleischproduktion zum Thema „tiergerechtes Schlachten“ aufregen und fragte: „Gibt es so was auch bei der CIA, vielleicht mittels klimafreundlicher Folterinstrumente oder Elektroschockern mit Ökostrom.“ Die Frage blieb unbeantwortet, erzeugte aber eines: Kopfkino.
Veranstaltungsankündigung
Wäre Assoziations-Hopping olympisch, Martin Zingsheim könnte sich Hoffnung auf Medaillen machen. Im Sturm hat er die Kleinkunstszene erobert, zahlreiche Kabarettpreise eingeheimst und den Sprung ins Radio sowie ins Fernsehen geschafft. Jetzt ist das 31 Jahre junge Ausnahmetalent aus Köln mit einem neuen Soloprogramm auf Welttournee durch den deutschsprachigen Raum und präsentiert eine rasante Ein-Mann-Show jenseits aller Schubladen. Die Dramaturgie des Abends folgt dem wilden Gedankenstrom des frisch promovierten Lockenkopfes. Ein sprachlich wie musikalisch virtuoses Abenteuer über Gott und die Welt, Liebe und Hass, Erziehung und Pauschalreisen. Grandios verkopft ringt Martin mit Protagonisten der Kulturgeschichte, kämpft gegen die musikalischen Folgen einer Kindheit in den 90ern, erklärt Veganismus zu einer rein lexikalischen Herausforderung und plant den Sturz des herrschenden Systems durch getanzte Revolution.
Am Rande des Scharfsinns redet, spielt und singt sich der Senkrechtstarter durch seine eigenen Geistesblitze. Ist komisch, klingt aber so.
Am 22.02.15 wurde Martin Zingsheim mit dem Deutschen Kleinkunstpreis (Förderpreis) ausgezeichnet. Martin Zingsheim ist der deutsche Preisträger 2016 des internationalen Radio-Kabarettpreises “Salzburger Stier”.
Link: www.zingsheim.com