Jazz kann unheimlich spannend sein
Mehr als 250 Musikfans erlebten in Lantershofen hochklassige Konzerte
Bereits zum 11. Mal fand am vergangenen Wochenende die Konzertreihe „Jazz ohne Stress“ statt. Nach einem Ausweichjahr in Dernau war der Wahl-Essenener Jonas Röser dieses Mal zurück in seinen Heimatort Lantershofen gekehrt, präsentiert wurden die beiden Jazzabende im Saal des Winzervereins erstmals vom Verein Kulturlant e.V. Hinter „Jazz ohne Stress“ steckt die Idee, bei guter Musik und einem Glas Wein oder Bier einmal komplett abschalten zu können.
Dabei war es in der Vergangenheit stets die Veränderung bei der Zusammenstellung der Musiker, welche Jonas Röser von einem Jahr zum nächsten um sich scharrte, die immer wieder für neue musikalische Überraschungen sorgte. Genau darauf hat Saxofonist Röser in diesem Jahr zumindest im ersten Teil des Konzertes verzichtet. Die Besetzung mit ihm am Altsaxophon, Caspar van Meel am Kontrabass und Schlagzeuger Dominic Brosowski entsprach exakt der Vorjahresformation. Die drei treten inzwischen immer wieder unter dem Bandnamen „Tricycle“ auf. „Das hat viele Vorteile“, so Röser, der weiter erläuterte: „Wir haben Tricycle aus unserem ehemaligen Quartett formiert. In dieser Besetzung können wir gelebte Kunst zeigen. Wir leben alle in Essen und können regelmäßig zusammen proben, unsere eigene Musik gestalten und dabei ein sehr hohes Niveau erreichen.“
Dass die drei perfekt eingespielt waren und dabei sprichwörtlich blind miteinander musizieren können, kam beim äußerst jazzkundigen Publikum in Lantershofen sehr gut an. Es war ein musikalisch recht ruhig und entspannend präsentierter erster Teil. Eigenkompositionen, wie der erst vor wenigen Tagen entstandene Klagegesang „Johnny’s Lament“ mit Elementen der Groovemusik in Anlehnung an die Popkultur fanden ebenso viel Beifall, wie ideenreiche Covermusiken. Beispielhaft war hier das Arrangement Caspar van Meel‘s zum Nirvana-Hit „Come as you are.“
Im zweiten Konzertteil wurde es enger auf der Bühne, aus dem Trio war nun ein Sextett geworden. Pianist Lukasz Flakos hatte Platz genommen, dazu gesellten sich die Geschwister Marion Wichterich und Michael Feist. Die beiden kommen aus dem niedersächsischen Städtchen Dassel. Der Zufall führte sie mit Tricycle zusammen, man hatte sich am Rande des Jazzfestivals in Marienthal im Ahrtal kennengelernt. „Das war eine total spannende Zusammenarbeit“, berichtete Jonas Röser. Die Musik von Marion Wichterich und Michael Feist wurde auf ihre Essener Musikerkollegen abgestimmt und von diesen so bearbeitet, dass sie gemeinsam zu Gehör gebracht werden konnte. Dabei trafen kreative Improvisationen auf ehrliche Grundfeste des Songwriting. Denn die Geschwister schreiben Musik, die direkt aus dem Bauch ins Herz trifft. Die Lieder, die sich stilistisch zwischen Country, Blues, Jazz, Rock und Funk bewegen, handelten von den großen Gefühlen, die die Welt bewegen. Liebe und Hass, Freude und Not, Verzweiflung und Hoffnung fanden Ausdruck im rohen, erdigen Sound der beiden. Es wurde musikalisch nun lebhafter, wofür nicht zuletzt Sängerin Marion Wichterich mit ihrer markant soulhaften Stimme verantwortlich war. Songs wie „Conclusion“ oder „Not at all“ sorgten zumindest für ein Wippen mit den Füßen beim Publikum, dass mit zunehmender Konzertdauer immer mehr mitging und sich von den Musikern begeistern ließ. Am Ende waren dann mehr als drei stressfreie Stunden vergangen, die den Jazzfreunden ein sichtlich großes Vergnügen bereitet hatten.